
Räume als Kunst zu begreifen, das hat durchaus eine längere Tradition. Sie hängt nicht zuletzt mit der aus der Romantik stammenden Idee von einem Gesamtkunstwerk zusammen, in dem die Grenzen zwischen den Künsten mehr oder weniger ganz verschwinden und das in räumlicher wie zeitlicher Existenz alle Sinne in Anspruch nimmt. Der ≫Hang zum Gesamtkunstwerk≪ – so der Ausstellungsmacher Harald Szeemann – bestimmt aber seit der Klassischen Moderne vor allem zeitgenössisches Kunstschaffen in hohem Maße. Raumkunst ist zu einer der wichtigsten Domänen der bildenden Kunst geworden. Sie ist aus der heutigen Kunst nicht wegzudenken, sie ist zugleich durch vielfältige Grenzüberschreitungen gekennzeichnet. Dabei ist sie nicht mit Innenarchitektur oder Landschaftsarchitektur, mit der mehr oder wenigen kunstvollen, durchdesignten Ausgestaltung von Räumen und Außenanlagen zu verwechseln. Was aber ist sie dann? Innen- und Außenräume sind freilich zwar oft auch mehr oder aufwändig gestaltet, sie beherbergen sogar Kunstwerke, aber sie selbst werden tradierterweise nicht als Kunstwerke begriffen, denn sie haben in der Regel praktische Funktionen, sie erfüllen einen außerkünstlerischen Zweck: Sie dienen dem Wohnen, der Arbeit, der Erholung, dem Schutz, der Aufbewahrung usw. Anders ist es mit Kunsträumen, wie sie in der zeitgenössischen Kunst auftreten: Sie erfüllen keinerlei praktische Funktion, sondern sie funktionieren wie ein Gemälde, eine Zeichnung, ein Plastik oder Skulptur. Sie drücken etwas aus vom Weltverhältnis der Künstlerin oder des Künstlers, sie bringen entsprechende Gefühle und Gedanken zum Ausdruck. Nur eben nicht in Form von bildnerisch gestalteten Flächen oder Köpern, sondern in Form von ganzen Räumen. Voraussetzung dafür ist, dass man akzeptiert, dass der Raum selbst, alle Gegenstände - ob selbst gefertigte, künstliche, gefundene oder gesammelte -, die im Raum sind, dass alles, was im Raum unsere Sinne beansprucht, auch das Unsichtbare, das Hörbare und Spürbare, dass alles, was sich in ihm abspielt, keinem praktischen Zweck mehr dient, sondern einzig und allein mit Bedeutung erfüllt ist, zum Zeichen für die Gefühls- und Gedankenwelt der Künstlerin oder des Künstlers wird und uns in entsprechender Weise ansprechen soll.